Nachruf für Tobias Jafetas

 

Die Darmstädter Geschichtswerkstatt trauert um ihren Freund

 

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Tobias Jafetas (1930–2019)

 

Er ist in der Nacht vom 3. auf den 4. März 2019 in Vilnius, wenige Wochen vor seinem 89. Geburtstag, verstorben.

Aus einer ersten Begegnung 2005 mit Tobias Jafetas, der aus Anlass der Ehrung Karl Plagges als „Gerechter unter den Völkern“ durch die Gedenkstätte Yad Vashem nach Darmstadt gekommen war, ist eine von tiefer Achtung und herzlicher Zuneigung geprägte Freundschaft zu Mitgliedern der Darmstädter Geschichtswerkstatt entstanden. Für uns, seine Darmstädter Freunde, war diese Freundschaft ein Geschenk. Sie war immer verbunden mit Bewunderung für die menschliche Wärme und die von Tobias Jafetas gelebte Solidarität, mit der er in den letzten zwei Jahrzehnten vom Komitee ehemaliger Ghetto- und KZ-Häftlinge in Litauen aus dafür sorgte, dass die diesem Komitee zur Verfügung stehenden Spendenmittel den von Armut und sozialer Not betroffenen Holocaust-Überlebenden in Litauen zu Gute gekommen sind. Zusammen mit den Mitgliedern des Komitees – Tobias Jafetas würde nie „ich“ sagen, sondern immer „wir“ – sorgte er für die Beratung der meist betagten, oft gesundheitlich geschwächten Jüdinnen und Juden, die lange Jahre ohne die dringend gebotene finanzielle Unterstützung geblieben und die auf Hilfe angewiesen waren; sie hatten zwar den Holocaust überlebt, hatten jedoch oft genug ihre Familien verloren und lebten nun ohne ausreichende Versorgung.

Als zwölfjähriger Junge war Tobias Jafetas selbst dem Terror im Ghetto von Kaunas, dem seine Mutter zum Opfer gefallen ist, mit Hilfe von Rettern entkommen. Er hat im ständig gefährdeten Schutz Verwandter in Vilnius das Grauen der deutschen Besatzung überlebt. Nach seiner Pensionierung fand er, der langjährige Computeringenieur, im Komitee der ehemaligen Ghetto- und KZ-Häftlinge „eine neue Aufgabe“, wie er selbst es nannte. Das Komitee wurde unter seiner Leitung ein Synonym für solidarische Hilfe, von dem für Holocaust-Überlebende in Litauen ein ebenso menschlicher wie materieller Beitrag zu einem würdigen Leben im Alter ausging.

Die Ausstrahlung menschliche Wärme und Freundlichkeit war für jeden Besucher des Komitees unmittelbar zu spüren. So sehr wir heute seinen Tod betrauern, so glücklich werden wir darüber bleiben, dass Hanni Skroblies, Francesca Skroblies und  Christoph Jetter mit Tobias Jafetas im vergangenen Oktober 2018 bei einem letzten Besuch in Vilnius an mehreren Tagen viele Stunden verbracht zu haben – gastfreundlich in seiner Wohnung willkommen, mit ihm zusammen bei einer Sitzung im Komitee und mit zwei gemeinsamen Ausstellungsbesuchen. Die Erinnerung an Tobias Jafetas wird bleiben. Die Begegnungen mit ihm sind zu einem besonderen Reichtum der Freundschaft geworden.

Darmstadt, März 2019